Nachhaltig Reisen: Werbung der Tourismusbranche oder sinnvolle Sache?

von 28.01.20164 Kommentare

Nachhaltigkeit ist zweifellos wichtig und in den letzten Jahren immer mehr ins Bewusstsein gerückt, auch wenn ich den Eindruck habe, dass es als teilweise als inhaltsleeres „Modewort“ gebraucht wird. Wie verhält sich das in Bezug auf das Reisen? Sind Nachhaltigkeit und Reisen nicht ein Widerspruch in sich?

Inzwischen gibt es natürlich auch Anbieter für nachhaltiges Reisen und eine Diskussion über die Vereinbarkeit vom Reisen mit Umwelt- und Klimaschutz. Ich habe die traurige Entwicklung des Artensterbens zum Anlass genommen, mir ein paar Gedanken zu diesem Thema zu machen und möchte dich daran teilhaben lassen.

Das Artensterben und unsere Untätigkeit

Vor einigen Tagen war Dirk Steffens bei Markus Lanz zu Gast und hat über das große Artensterben berichtet, das inzwischen auch die menschlichen Lebensgrundlagen zu bedrohen beginnt und von gewaltigem Ausmaß ist, aber neben dem Klimawandel eher wenig Beachtung findet. Kurze Zusammenfassung: Verschiedene Quellen sprechen davon, dass es im Laufe von Jahrmillionen der Erdgeschichte fünf große Ereignisse gegeben hat, die in einem relativ kurzen Zeitraum zum Verschwinden eines großen Teils aller Arten von Lebewesen führten und den Lauf der Evolution maßgeblich beeinflussten. Und heute sind wir mitten in einer Bewegung, die man als sechstes großes Artensterben bezeichnen muss! (Als Quelle dient z.B. der Living-Planet-Report des WWF.)

Die „Aussterberate“, die auch ohne äußere Einflüsse – wie Meteoriteneinschläge oder den des Menschen – ganz natürlich zum Prozess der Evolution gehört, sei aktuell um den Faktor 1000 erhöht! Jedes Jahr sterben also tausendfach mehr Arten aus, als es natürlicherweise der Fall sein dürfte (Quelle: z.B. dieser Wikipedia-Artikel). Und die Ursache dafür können wohl nur die Veränderungen durch den Menschen sein, die zu Umweltverschmutzung, Vernichtung von Ökosystemen und Klimawandel führen.
„Wenn wir jetzt nicht schnell etwas ändern, werden wir uns in wenigen Jahrzehnten sehr ernsthaften und teuren Konsequenzen unseres Handelns gegenübersehen.“
Dirk Steffens, Quelle
Das Ausmaß der Lebensraumvernichtung und die Eindringlichkeit der Schilderung hat mich wirklich erschüttert, sehr traurig, aber auch etwas wütend gemacht. Leider scheint es wirklich so zu sein, dass der Mensch einfach dazu neigt, in seinem Denken und Handeln sehr kurzsichtig nur auf den eigenen Vorteil bedacht zu sein. Auf komplexe Auswirkungen zu reagieren, die Jahrzehnte in die Zukunft reichen, gehört offenbar nicht zu den menschlichen Stärken… Und die Verflechtung von Wirtschaftslobby und Politik trägt dazu bei, dass wir von einer angemessenen Reaktion weit entfernt sind.

Das alles ist traurig genug, hat mich wie gesagt aber auch über das Reisen nachdenken lassen. Wie kann man sich verhalten, um schädliche Auswirkungen beim Reisen zu vermeiden oder zumindest zu begrenzen? Und was ist überhaupt von „nachhaltigem Reisen“ zu halten?

Flugzeug-Kondensstreifen

Reisen und Umweltzerstörung

Auf den ersten Blick mag es naheliegend erscheinen, dass die zunehmende Zahl an Touristen und Reiselustigen ein Problem für die Natur darstellt. Ganz so einfach und klar ist es meiner Meinung nach aber nicht. Okay, ich gebe zu, hier bestimmt nicht ganz objektiv sein zu können, schließlich bin ich schlicht und ergreifend reisebegeistert und sehe auch die positiven Einflüsse des Reisens.

Denk mal drüber nach, gibt es nicht sehr viele Länder und Regionen auf der Welt, die stark vom Tourismus abhängig sind? Und die erst im Laufe der Zeit und durch viele reiselustige Naturliebhaber erkannt haben, wie wichtig der Erhalt der Natur ist? Dabei denke ich beispielsweise an Nationalparks und andere Schutzgebiete, denen weniger Besucher zwar gut täten, die andererseits aber vom Interesse und Geld der Reisenden abhängig sind, ohne die es womöglich einige Reservate gar nicht gäbe.

Aber selbst wenn wir den Aufenthalt vor Ort mal außen vor lassen, dann bleibt aber immer noch das wirklich große Problem der An- und Abreise, das lässt sich einfach nicht wegdiskutieren. Der Akt der Bewegung von A nach B führt fast immer zum Ausstoß von CO2 und ist dementsprechend schlicht klimaschädlich – das betrifft besonders das Reisen mit dem Flugzeug.

Was kannst du als Reisender tun?

Wenn es darum geht, welche Konsequenzen man aus der Problematik ziehen kann, so ist der radikalste Ansatz natürlich, entweder komplett zu Hause zu bleiben und gar nicht mehr zu verreisen oder nur mit dem Fahrrad und zu Fuß unterwegs zu sein. Das steht für uns aktuell aber nicht zur Debatte – welche Möglichkeiten gibt es also für uns Reiselustige, wenn wir nicht völlig aufs Reisen verzichten wollen?

QUIET - Trees at Work, Maui

Bei kürzeren Entfernungen aufs Flugzeug verzichten

Die meisten wissen es, aber die wenigsten handeln danach – am Ende sind Preis, Zeitbedarf und Bequemlichkeit dann doch wichtiger. Und wenn das Flugzeug von Frankfurt nach München billiger oder schneller ist als der Zug, wird der Flieger genommen…

Aus Klimaschutzgründen sollten wir bei geringen Entfernungen bis ca. 700 km aber wirklich auf’s Fliegen verzichten und die Bahn nehmen. Schnäppchenpreise gibt es da auch immer wieder und die Bahn kann sogar bequemeres Reisen ermöglichen als das Flugzeug.

Weitere Strecken sollen sich „lohnen“

Mal eben über’s Wochenende nach New York jetten, weil man einen Schnäppchenpreis ergattert hat – da freut sich das Portemonnaie, aber nicht die Umwelt. Von Nachhaltigkeit kann man bei Flugreisen sowieso nicht sprechen, aber je weiter das Reiseziel entfernt liegt, desto länger solltest du dich wenigstens vor Ort aufhalten.

CO2-Ausgleich mit Atmosfair & Co.

Durchaus kontrovers diskutiert und von Kritikern als „Ablasshandel“ bezeichnet wird die Möglichkeit, bei oder nach der Flugbuchung eine Kompensationszahlung zu leisten, die sich nach dem CO2-Ausstoß des Fluges richtet. Ich finde das grundsätzlich eine gute Sache und habe das auch schon gemacht, der bekannteste Anbieter dürfte hier wohl Atmosfair sein. Das Geld wird für verschiedene Umweltprojekte, v.a. dem Ausbau regenerativer Energiequellen, verwendet.

Das darf kein Freifahrtschein sein und man kann nach einer Ausgleichszahlung trotzdem nicht euphemistisch von „klimaneutralem Reisen“ sprechen – schließlich bewirkt der Bau eines Windparks in Südafrika nicht, dass die Flugzeuge weniger Abgase in die Luft pusten. Hier sind wir schlicht darauf angewiesen, dass in der Zukunft Flugzeugmotoren mit alternativen Energiequellen entwickelt werden. Bis es soweit ist, finde ich Atmosfair aber echt empfehlenswert.

Vor Ort die Einheimischen stärken

Die gute Nachricht für uns als Flashpacker und Individualreisende im weiteren Sinne: Wir meiden meist sowieso schon die großen Resorts, Hotelbunker und Pauschalreisen. Ich finde es leuchtet ein, dass man sein Geld nicht die großen Reiseveranstalter stecken sollte, sondern lieber die lokale Gastronomie und einheimische Unterkunftsanbieter unterstützt. Das ist dann auch ein Argument gegen „All-inclusive“.

Schonender Umgang mit den Ressourcen

Wichtig finde ich auch den Hinweis, die natürlichen Ressourcen vor Ort möglichst zu schonen. Also nicht täglich ein Bad nehmen und die Handtücher ruhig mehrere Tage lang verwenden. Und Golf spielen in der Wüste muss doch echt nicht sein, oder?

Gerade auf Fernreisen begegnet dir immer wieder die Situation, dass eine ausreichende Wasserversorgung ohne unnötige Umweltbelastung keine Selbstverständlichkeit ist.

Rücksichtsvoller Aufenthalt in der Natur

Eigentlich sollte es sich von selbst verstehen, dass man den Tieren und Pflanzen mit Respekt begegnet, auf den Wegen bleibt, Müll in dafür vorgesehene Behälter entsorgt und keinen unnötigen Lärm macht. Leider scheinen das viele Urlauber aber keineswegs verinnerlicht zu haben, wie wir immer wieder feststellen mussten.

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Fazit

Reisen ist uns so wichtig, dass wir darauf nicht verzichten wollen, das steht fest. Und Reisen fördert die Entwicklung einer offenen und toleranten Weltanschauung sowie den Naturschutzgedanken, weshalb wir einen Reiseverzicht auch als kontraproduktiv ansehen.

Also besteht unser Fazit darin, bewusst zu reisen und die von mir beschriebenen Vorschläge zu beherzigen, um den eigenen Beitrag zu Umweltverschmutzung und Artensterben so gering wie möglich zu halten.

Zum Nachlesen: Das GEO-Interview mit Dirk Steffens zu seinem Living-Planet-Vortragsprogramm.

Und weitere Anregungen zum nachhaltigen Reisen bei Wireless Life, der Artikel hat mir gut gefallen.

Dich interessiert bestimmt auch unser Beitrag über bedrohte Reiseziele.

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