Bärengeschichten – oder: Wovor man sich wirklich fürchten muss

von 13.01.20187 Kommentare

Einen Bären in freier Wildbahn sehen und dann sogar fotografieren zu können, das gehört zu den eindrücklichsten Erlebnissen, die man machen kann. Und auch wir hatten dieses Glück, v.a. 2016 in Kanada haben wir ungefähr ein Dutzend Bären gesehen und letztes Jahr sogar in Schweden – von der intensivsten Begegnung wollen wir nun berichten.

Gleichzeitig ist es aber auch wichtig, weder sich selbst noch das Tier in Gefahr zu bringen – was sich natürlich auf alle Wildtiere bezieht, nicht nur auf Bären. Und in dieser Hinsicht mussten wir in Nordamerika leider auch schon sehr negative Erfahrungen machen, die uns traurig, aber auch wütend machten – und auf die wir ebenfalls unbedingt aufmerksam machen wollen.

Braunbär in Schweden

Eine besondere Begegnung auf Vancouver Island

Wir machen morgens unser Wohnmobil klar Schiff und beschließen, von unserem Campground aus noch mal zum Strand zu laufen. Es ist 8:15 Uhr und Ebbe und da kann man besonders viel sehen. Die Strände hier im Süden von Vancouver Island sind durch reiche Natur geprägt und so erhoffen wir uns einen schönen Morgenspaziergang am China Beach, der am Beginn des Juan de Fuca Provincial Park liegt.

China Beach Campground im Juan de Fuca Park, Vancouver Island, Kanada
China Beach Campground im Juan de Fuca Park, Vancouver Island
Wir gehen nichts ahnend ein paar Meter den Waldweg Richtung Strand, unterhalten uns leise und genießen die morgendliche Stille. Und dann passiert das Unerwartete: Nach einer Biegung sehen wir plötzlich eine Bärenmama mit ihrem Jungen in ca. 20 Meter Entfernung zu uns auf dem Weg. Der Kleine krabbelt sofort den Baum hoch, wir hören wie er sich an der Baumrinde festkrallt. Die Mutter rennt durch uns erschreckt zur Seite weg. Und auch wir erschrecken uns natürlich, denken in der einen Sekunde „Oh, wie toll: Bären“, in der nächsten „Ach du Scheiße, Bären!“.

Zum Glück machen wir anscheinend alles richtig und auch der Schwarzbär verhält sich so, wie es natürlicherweise sein sollte. Wir gehen ganz langsam zurück, als wäre nichts geschehen, Klaus dreht sich immer mal wieder um und schaut, was die Bären machen (die Bärenmama ist nicht mehr zu sehen) und dann sind wir in Sicherheit. Puh! So schön es ist, Schwarzbären von nah zu sehen (oh und wie süß und knuddelig der kleine Bär war!), so gefährlich kann so eine Situation werden, wenn man sich nicht korrekt verhält oder die Bären gar bereits an Menschen gewöhnt sind. Insbesondere Bären mit Jungtieren können unberechenbar sein.

Aber es ist ja alles gut gegangen und wir sind schließlich im Bärengebiet.  Wir gehen also nicht mehr zum Strand, sondern fahren direkt weiter. Natürlich gibt es davon keine Fotos, das wäre dann wirklich leichtsinnig gewesen, aber die Bilder haben sich für immer in unserem Kopf gespeichert, regelrecht eingebrannt.

Natürlich wissen wir um die Sicherheitsmaßnahmen für Wanderungen im Bärengebiet: möglichst nicht alleine wandern, viele Geräusche machen: singen, „Hey Bär!“ rufen, sich laut unterhalten, damit die Bären die Menschen schon von Weitem hören und sich wegtrollen, ein akustisches Alarmsignal ist eigentlich auch im Reisegepäck. Aber irgendwie haben wir diesen kleinen Spaziergang nicht als „Wanderung“ wahrgenommen und waren ganz arglos: schließlich waren wir doch in unmittelbarer Nähe zum Campground und so sind wir andächtig und leise durch den Wald gegangen. Aber dies hier ist Wildnis und da muss man eigentlich immer mit wilden Tieren rechnen. Im weiteren Verlauf unserer Kanada-Reise sind wir vorsichtiger. Aber es ist ja alles gut gegangen und der Anblick der beiden Bären war auch ein besonderes Erlebnis.

Bären vom Auto oder Wohnmobil aus sehen und fotografieren

Ganz anders ist die Situation natürlich, wenn man vom Auto aus Tiere beobachtet. Dies geht in Nordamerika und Kanada besonders gut. Man „cruist“ gemütlich mit Auto oder Camper durch die Landschaft und hält die Augen offen. So sind uns aus der sicheren Entfernung und im geschützten Wagen auch schon öfter Bären begegnet.

Schwarzbär, Banff National Park

Schwarzbär in den Beerenbüschen, Banff National Park

Mit unseren Bärenfotos aus dem Auto sind wir nur mäßig zufrieden, meist sieht man den Bären nicht komplett, er ist zu weit weg oder es ist ein Stück Auto oder Straße mit auf dem Bild. Schon im Beitrag zu unseren Tierbegegnungen in Kanadas Westen hat Klaus beschrieben, wieviel häufiger es uns gelungen war, einen Bären zu sehen, als ihn auch gut zu fotografieren.

Was uns mehr erschreckt hat als der Bär vor uns

Mit schlechten oder fehlenden Fotos muss man leben, wenn man sich selbst und den Bären nicht in Gefahr bringen will. Dieses Bewusstsein allerdings haben viele Touristen leider nicht. Während unserer Reise durch Kanada ist es uns besonders negativ aufgefallen, wie viele Menschen doch scheinbar denken, sie seien im Zoo und nicht in der Wildnis.

„Bärenstau“ auf dem Bow Valley Parkway, Banff National Park
„Bärenstau“ auf dem Bow Valley Parkway, Banff
Es fängt damit an, dass ein Auto anhält, dann weitere. Zunächst sind die Menschen noch zurückhaltend, aber sobald der erste „Mutige“ aus seinem Wagen aussteigt und sich mit dem Smartphone bewaffnet dem Tier nähert, denken scheinbar auch alle anderen, dass man das schon mal machen kann. Zuhause oder auf Facebook kann man ja mit einem Smartphone-Bild mit viel Wald und einem kleinen schwarzen Punkt, von dem man nur selbst weiß, dass es der Bär ist, nicht so gut beeindrucken. Denn genau so sieht ein Bärenfoto aus, wenn man den Mindestabstand von 100 Metern einhält. Was auf dem Smartphone-Display so klein aussieht ist ja bestimmt auch noch weit genug weg.

Wir haben mehr als einmal Szenen wie diese beobachtet. Dass sich ein kleiner Stau, ein sogenannter „bear jam“ bildet, wenn ein Tier gesichtet wird, empfinden wir ja noch als normal und kennen es auch aus dem Yellowstone – wir haben in so einer Situation mehrfach auch selbst angehalten und aus dem Fahrzeug heraus fotografiert. Was uns erschreckt und auch wütend gemacht hat, geht aber weit über dieses Verhalten hinaus.

Einmal ging es sogar so weit, dass der Bär so sehr bedrängt wurde, dass er schließlich kurz drohte (einen Scheinangriff machte), was einen kurzen Nervenkitzel-Aufschrei unter den „Bärenjägern“ auslöste, und in Panik die Straßenseite wechselte. Doch damit nicht genug, schnell rannte die Meute auch auf die andere Seite, auf der Jagd nach dem perfektem Foto.

Rücksichtslos und ignorant: Der Bär befindet sich nur 5-10 m entfernt
Rücksichtslos und ignorant: Der Bär befindet sich nur 5-10 m entfernt

Und, was ist schon dabei, könnte man fragen? Ist doch nochmal gut gegangen und die Leute sind doch selber Schuld. So einfach ist es unserer Meinung nach nicht:

  1. Der Bär ist darauf angewiesen im Sommer ungestört seinen Winterspeck anzufressen und es schadet ihm, wenn er dabei gestört wird.
  2. Kommt es dazu, dass der Bär einen Menschen angreift oder gar tötet, wird er zum „Problembär“ und muss er zumindest umgesiedelt oder oft sogar erschossen werden. (Ähnliches gilt, wenn er zu sehr an Menschen gewöhnt wird, die ihren Müll und Essensreste auf dem Campingplatz ungesichert und frei zugänglich lassen.) Ein an den Menschen gewöhntes Tier wird zur Gefahr und muss getötet werden.
  3. Leider kommt es immer wieder vor, dass Wildtiere über die Straße flüchten, wenn sie sich bedrängt fühlen, und dort von vorbeifahrenden Fahrzeugen, z.B. LKW, angefahren werden.
  4. Übertreten Touristen immer wieder Verbote und verhalten sich rücksichtslos in Nationalparks, so wird dies möglicherweise die Folge haben, dass Straßen und Gebiete für alle Touristen gesperrt werden, um den Tieren ihren Lebensraum zu lassen.

Uns hat dieses Verhalten sehr geärgert und wir sind nicht müde geworden, dazu etwas zu sagen. Wir haben solche Personen, die ausgestiegen und sich den Tieren genähert haben, auch angesprochen, ihnen zugerufen, sie versucht zur Vernunft zu bringen – leider nur mit mäßigem Erfolg.

„Bärenjäger“ am Straßenrand im Banff Nationalpark
„Bärenjäger“ am Straßenrand im Banff Nationalpark

Wie sollte man sich denn nun richtig verhalten?

Mit etwas „gesundem Menschenverstand“ sollte klar sein, dass man sich in freier Wildbahn nicht wie in einem Zoo verhalten kann. Dabei geht es keineswegs nur um Bären – so werden im Yellowstone Nationalpark beispielsweise mehr Menschen durch Bisons verletzt als durch Bären.

Ich habe mich im Internet umgesehen und kann dir folgende Seiten empfehlen, die genauer beschreiben, wie man sich gegenüber Wildtieren verhalten sollte:

Tips for Watching Roadside Bears • Die offizielle Website des National Park Service beschreibt exemplarisch für den Yellowstone, wie man sich im Falle eines „Bear Jam“ richtig verhält.

Vom sicheren Umgang mit Wildtieren in Kanada • Die Beschreibung der „Two Biologists on Tour“ finde ich empfehlenswert, es geht dabei auch um den Umgang mit Pflanzenfressern.

Allein unter Grizzlys – Wandern und Zelten in Bärengebieten • Fräulein Draußen schreibt in ihrem Blogbeitrag speziell zur Problematik, alleine im Bärengebiet zu wandern.

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Fazit

Unsere direkte Begegnung mit einem Schwarzbären mit Jungem war zwar sehr aufregend und unvergesslich, lieber ist und bleibt uns aber, solche Tiere vom Autofenster oder aus sicherer Distanz beobachten zu können.

Wie rücksichtslos und dumm sich viele Menschen bei der Begegnung mit Wildtieren verhalten, finden wir erschreckend – und leider haben wir das Gefühl, dass es im Lauf der Jahre eher schlimmer als besser geworden ist. Bitte hilf mit, dass sich diese Negativentwicklung nicht fortsetzt!

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Teleobjektiv nutzen

Ich weiß, nicht jeder ist ein Hobbyfotograf oder will Geld für teure Objektive ausgeben – aber nur mit einer Brennweite von mindestens 200 mm oder meist (viel) mehr wirst du ansprechende Fotos von Wildtieren machen können, ohne dich selbst und das Tier in Gefahr zu bringen. Hier findest du unser Equipment.

Erzähle uns von deinen eigenen Bärengeschichten oder anderen Tierbegegnungen und auch von deinen Erfahrungen mit dem Umgang mit Wildtieren! Wir freuen uns über jeden Kommentar! 🙂